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Im Garten am Grab

Dem Sonnenruf folgen

Hartmut Lux: Im Garten am Grab

Es ist ein Auferstehungsbuch! Das erste Gedicht schlägt sogleich das Thema an: den Weg von Palmsonntag über den Karfreitag bis hin zum Ostermorgen. Die Blumen sind es, die dem Dichter den Weg weisen: Osterglocken, Tulpen, Veilchen und Hyazinthen. Aus diesem Blumenflor erhebt sich das Lied des Rotkehlchens siegesgewiß. Und das Herz des Dichters folgt sicher diesem Ruf.
Der Garten des Joseph von Arimathia ist der Raum, in dem diese Gedichte ihren Ursprung haben. „Im Garten am Grab“, das bedeutet, daß Leben und Tod sich begegnen. Das Felsengrab ist dem Leben des Menschen an die Seite gestellt.
Der Dichter gewinnt Zuversicht aus dem Bereich der Vogelwelt, der lebendigen Kreatur. In ihr begegnet er der Gestalt des Auferstandenen. Auf den „Merktafeln“ dieses Bandes steht ein Wort von Joseph Beuys zur Christus-Erfahrung. Einem Schmetterlings-Gedicht legt Hartmut Lux den Hinweis Rudolf Steiners zugrunde: die Gedanken der Menschen seien „Bilder der Schmetterlingswelt“. Der schlichte Vers ist mehr als reine Gedankenlyrik, er ist der lebendige Ausdruck eines Geistsuchers.
Vielfach begegnet man der Vogelwelt mit ihrem Zauber: Rotkehlchen, Mauersegler — und immer wieder die Amsel. Sie ist ihm ein Bote aus einer höheren Welt. Liest man die Verse vom blauen Himmel, erinnert man sich an den jungen Christian Morgenstern, der, auf einer Wiese liegend, mit seiner Seele hoch in das Himmelsblau verschweben konnte. Das Blau in seiner Tiefe ist dem Malerpoeten ein Bereich der „Sehnsucht [...] nach dem Ubersinnlichen“ (W Kandinsky). So kommt ihm auch „aus dem Blau / das Lazarus-Wort“ entgegen.
Auf dem poetischen Weg begegnet der Leser, wie auf „Merktafeln“ notiert, den Worten anderer Geistsucher wie Hildegard von Bingen, Novalis, Bettina von Arnim und auch seiner Dichterfreunde. Offenen Herzens folgt Hartmut Lux den Bildern und Klängen, die ihm im Jahreslauf entgegenkommen. Die Sonne an Michaeli! „Nun geh ich am Abend / die Sonne zu pflücken, sie ist / in den Zweigen, ich hör / ihren Ruf [...]“
Zu Allerheiligen begegnet ihm „Ein Wächter, der alte / Ahorn am Tor / unseres Friedhofs, der alte / Freund [...]“. —Das ist es, was die Dichtung von Hartmut Lux ausmacht: die tiefe Freundschaft zu allen Wesen! „Meine Liebe ist groß wie die weite Welt [...]“ so hat es Christian Morgenstern ausgerufen.
Der Dichter kennt auch die harten Schläge des Lebens; er stellt sich ihren Prüfungen. „Wintertag komme nur / wieder / ich fürchte nicht / Kälte, nicht / Sturm [...] / Weht aber Wintertag / immer mich an / mit Mord des Menschen / am Menschen / am Tier“, so heißt es in dem Gedicht „Epiphanisch“. Der Dichter fährt fort: „Ohnmächtig stehe ich, fühle / des Johannes harte Hand / sie taucht mich hinab / in den Jordan des Herzens [...]“ Was ist das für eine rettende Metapher: „Jordan des Herzens!“
Herzensstimmen kommen uns entgegen aus dem Poem „Rotkehlchen singt im November“: „Ist ein Flügelschlag, rasch / im verdämmernden / Licht ist ein Vöglein, es singt mir / die Finsternis fort / singt Sonne ins Herz [...]“
Der Gedichtband schließt mit einem Essay von
Paul Bellebaum über die Lyrik von Hartmut Lux. In subtiler Weise geht dieser den Leitmotiven im Werk des Malerpoeten nach.

Gerhard Joedicke

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