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Lebenserinnerungen von Ingeborg Goyert

Lebenserinnerungen eines körperlich behinderten Menschen

Ingeborg Goyert stellt in ihren Lebensbeschreibungen dar, wie man auch als körperlich behinderter Mensch sein Leben sinnvoll in die Hand nehmen kann. Frau Goyert ist 1914 geboren . Acht Jahre später erkrankte sie an spinaler Kinderlähmung. Der Rumpf und beide Beine blieben gelähmt.
Vor der Erkrankung konnte sie noch ein Jahr die erste Klasse der Waldorfschule in Köln (Neuwacht-Schule) besuchen. Die Eltern hatten durch ihr offenes Haus für anthroposophische Freunde in Köln auch zu Rudolf Steiner eine Verbindung. Dadurch wurde sie von 1922-1925 im klinisch-therapeutischen Institut von Dr. Otto Palmer, Stuttgart, und von Dr. Ita Wegmann, Arlesheim/Schweiz, nach Angaben von Rudolf Steiner behandelt. In dieser Zeit kam es zu persönlichen Begegnungen mit Rudolf Steiner.
Von 1925-1928 erhielt Ingeborg Goyert Privatunterricht durch Friedrich Hiebel im elterlichen Haus. Danach besuchte sie bis 1933 die Freie Waldorfschule in Stuttgart (Klassen 9-12). Die Schulzeit schloss sie mit der Abiturprüfung ab. Es folgten nun eine umfangreiche orthopädische Operation und das Studium der Volkswirtschaft, welches sie 1939 mit “gut” abschloss.
Die Zeit vor und während der Kriegsjahre verbrachte Frau Goyert in Gerswalde und Giebing in Bayern. Im Mai 1945 wurde ihr die durch die Behinderung auferlegte Gefangenschaft in Giebing unerträglich. Sie fuhr mit einem handbetriebenen dreirädrigen Selbstfahrer unter großen Mühen hinaus in die Natur.
Hier werden jetzt die eigenen Worte von Frau Goyert wiedergegeben, aus denen auch der Buchtitel erkennbar wird: “Auf halber Höhe bemerkte ich von der Gegenseite einen Gewehrlauf dann erschien ein Stahlhelm, dann ein Gesicht. Ich verdoppelte meine Anstrengungen weiterzukommen. Der amerikanische Soldat kam bereits den Hügel herab, kam mir näher und fragte: “May I help you?" Als ich verneinend nickte, trafen sich unsere Blicke. Seine Augen leuchteten gütig verstehend. Er ging weiter. Die Güte seines Blickes, das warme Leuchten, war aus dem Herzen tiefster Menschlichkeit. Er kam aus dem Jenseits und bleibt für die Ewigkeit."
Trotz der schwierigen Beweglichkeit machte Frau Goyert die Prüfung für den Steuerbevollmächtigten und richtete sich ein Büro ein. Diese Tätigkeit übte sie bis 1971 aus. Nun übersiedelte sie in die Schweiz an den Genfer See und verwaltete ein Chalet als Ferien- und Studienhaus. Es gab dort ein reichhaltiges Angebot an Kursen in Musik, Eurythmie, Malen, sowie botanische und andere Exkursionen. Das Frau Goyert auferlegte Schicksal konnte sie nur durch die tiefgreifende anthroposophische Arbeit tragen. Durch die Begegnungen mit Rudolf Steiner und dessen Anweisungen für eine medizinische Behandlung und durch das Zusammentreffen mit den Persönlichkeiten, die sie mit lieben und helfenden Gedanken und Taten begleiteten, konnte sie ihre positive Lebenseinstellung erhalten. Wir können aus den Schilderungen erspüren, welch starker Wille in der heute 86-Jährigen, jetzt im Bettina von Armin Haus in Essen lebende Persönlichkeit, lebt. Wir erhalten Einblicke in die Anfangszeit der anthroposophischen Bewegung und können erleben, wie Ingeborg Goyert die Bewältigung der Behinderung durch Kinderlähmung bis heute geschafft hat.

Ein Gebet, welches Rudolf Steiner für Inge gegeben hat, sei angefügt:

Wer lässt die Pflanzen blühen? Das ist Gottes Weisheit.
Wer lässt die Menschen leben? Das ist Gottes Liebe.
Wer lässt die Sonne kreisen? Das ist Gottes Macht.
Wer lässt die Wolken ziehen? Das ist Gottes Wille.
Und so lebe mir in meines Herzen Tiefen:
Gottes Weisheit
Gottes Liebe
Gottes Macht
Gottes Wille
Das ich werde
denkend
liebend
kräftig
gut.
 

Elsa Runge
Medizinisch-Pädagogische Konferenz Nr.14/2000

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